Neuseeland, Südinsel

Von windy Wellington setze ich mit der Fähre über nach Picton auf der Südinsel. Picton liegt inmitten der Marlborough Sounds, einer traumhaften Fjordlandschaft. Die Aussicht von der Küstenstrasse nach Nelson ist klasse. Türkisfarbenes Wasser in den engen Buchten der Fjorde. Die Ruhetage in Wellington zahlen sich aus. Mit einem Schnitt von über 20 km/h reisse ich die 110 km nach Nelson ab. Dort belege ich einen Kurs im Knochenschnitzen und fertige mein eigenes Taonga (Glücksbringer). Das Grundmotiv des Angelhaken bedeutet Glück auf Reisen, insbesondere über Wasser.
Marlborough Sounds Taonga


Von Nelson aus kämpfe ich mich gegen den Wind bis zum Abel Tasman National Park durch. Mit dem Kajak paddele ich den wunderschönen Küstenabschnitt ab und bewundere die skurrilen Felsen und die einsamen Strände.
Abel Tasman NP Abel Tasman NP


Ein kleiner 150 km Ritt durch das Motueka Tal vorbei an riesigen Hopfenfeldern bringt mich nach Murchinson. Der friedliche, kleine Ort mit wenigen 100 Einwohnern ist Ausgangspunkt für viele Aktivitäten wie Angeln, Jagen, Rafting und auch Sternegucken. Im familiären Backpacker Lazy Cow komme ich unter. Einen Abend kommt der Besitzer rüber und spielt den ganzen Abend Gitarre, während einige englische Gäste begeistert dazu singen. Der Buller River fliesst durch Murchinson und anschliessend durch die enge Buller Schlucht. Nach Erdbeben und Erdrutschen vor einigen Jahren gibt es nun einige Stromschnellen im Fluss, die zum Rafting einladen. Ich nutze die Gelegenheit und mache meinen Rafting Einstand. Mit 4 englischen Brüdern, die äusserst spassig drauf sind, und dem Rafting Guide geht es im Schlauchboot den Fluss hinunter. Während wir langsam auf die Stromschnellen zutreiben, weist uns der Guide noch in einige wichtige Kommandos ein. "Hold on", heisst aufhören zu paddeln und sofort am Boot festhalten. "Get down", heisst alle ins Boot und ducken. Dann schwappt auch schon die erste Welle über den Bug. Zum Glück haben wir Schwimmwesten und Neoprenanzug an. Damit wir uns nicht gegenseitig mit den Paddeln den Schädel einschlagen, haben wir auch noch Helme auf. In den Stromschnellen gilt es auf einen dicken Felsen zuzupaddeln. Das Boot stösst dann dagegen, dreht sich und der Spass beginnt. An der letzten Stromschnelle werden wir übermütig. Wir steigen auf den Bootsrand und halten uns aneinander fest. Klappt auch ganz gut, bis wir gegen einen Felsen donnern. Wie ein Kartenhaus stürzt unsere lustige Runde in sich zusammen. Die gesamte Mannschaft plumpst in die Strömung. Im Tumult unter Wasser weiss ich gar nicht wo oben und unten ist. Während ich den ersten tiefen Schluck aus dem Buller Fluss nehme, setze ich alle Hoffnung auf die Schwimmweste. Die entfaltet nach einer Weile auch ihre Wirkung und ich treibe an der Oberfläche den Fluss hinunter. In aller Not greife ich noch einen Strauss Paddel, der neben mir schwimmt.
Murchinson Murchinson
Murchinson Murchinson


Am nächsten Morgen sitze ich wieder im Sattel. Als ich an einer Tanke noch Luft nachfülle, fährt neben mir ein Geländewagen mit 2 erlegten Wildschweinen auf dem Anhänger vor. Ich frage den sonnenbebrillten Fahrer, wo er denn die beiden Schwarzkittel geschossen habe. "Geschossen?" entgegnet er mir. "Das ist doch langweilig. Hier wird mit dem Messer gejagt." "Wie das?" frage ich. Mit einem halben Sandwich in der Backe erklärt er mir: "Naja, du brauchst 2 Hunde, die das Schwein an den Ohren festhalten. Dann stichst du dem Schwein von unten das Messer in die Kehle." "Spannende Angelegenheit", kommentiere ich, werfe noch einen Blick auf die 8 cm langen Hauer eines der Schweine und schwinge mich wieder in den Sattel. Die Strecke führt parallel am Buller River entlang bis nach Westport an der Westküste.

Im sehenswerten Coaltown Museum in Westport wird die Geschichte der ersten Siedler an der Westküste, der Holzindustrie, der Goldgräber und des Kohlebergbaus eindrucksvoll dokumentiert. Am Denniston Incline wurde Kohle von einem 500 m hoch gelegenen Plateau über eine halsbrecherische Steilstrecke an die Küste hinunter befördert. Eine volle Lore sauste auf Schienen den Berg hinunter und zog über ein umgelenktes Seil eine leere nach oben. Im Museum ist eine Lore im Winkel der realen Steigung ausgestellt. Etliche Loren entgleisten bei der Aktion. Sie liegen immer noch in den Büschen neben der Strecke umgeben von einem Haufen Kohle.
Westport Westport
Westport Westport


Am Cape Foulwind nahe Westport besuche ich noch die Seehundkolonie, die hier faul auf den Felsen herumlümmelt. Die Westküste ist geprägt vom Goldrausch. Viele Goldgräbersiedlungen und halb verfallene Stollen, in denen es noch glitzert, säumen die Küstenstrasse.
Westport Westport
Mitchell's Gully Goldmine Mitchell's Gully Goldmine
Bruecke Bruecke


In Punakaiki werfe ich einen Blick auf die Pancake Rocks, von der Brandung ausgewaschene Felsen, die an Pfannkuchen erinnern sollen. In Greymouth niste ich mich im bisher besten Backpacker, dem Global Village, ein. Die Räume sind in australafrikanischem Design ausgestattet. Morgens gibt es Toast und Marmelade, abends sogar als Betthupferl kleine Schokomuffins. Zum Austoben sind Fahrräder und Kajaks sowie ein Fitnessraum vorhanden. Zum Entspannen geht man in die Sauna oder legt sich in den Spa Pool. Per Kajak erkunde ich die Nebenflüsse des Grey River, der bei Greymouth ins Meer mündet. Einer Besichtigung der Monteiths Brauerei einschliesslich Produktverköstigung kann ich nicht widerstehen. Immerhin würde ich drei der sechs Biere als trinkbar bis lecker einstufen. Im übrigen gibt es in Neuseeland einige sehr schmackhafte Biere wie Tui, DB Draught und Speights.
Westport Pancake Rocks
Greymouth Greymouth


In Barrytown, nahe Greymouth, belege ich einen Kurs im Messerschmieden. Erst wird mit dem Hammer auf einem glühenden Flacheisen herumgedroschen. Der Holzgriff wird grob ausgesägt und mit der Messingeinfassung zusammen auf das malträtierte Flacheisen geklebt. Nach dem Schleifen von Kontur und Klinge wird schliesslich von Hand poliert. Bei einem Gläschen Selbstgebrannten erfolgt schliesslich die Messerweihe.
Messerschmieden Messerschmieden Messerschmieden


Nach einem kurzen Zwischenstopp in Hokitika, der Jadestadt mit etlichen Jadeschleifereien, geht es weiter an der Küste entlang nach Süden. Auf dem Weg probiere ich noch Pete's berühmten Possum Pie. Das ist eine Art Blätterteigpastete mit Opossumfleisch gefüllt. Schmeckt deutlich besser als es in dem Restaurant riecht. Pete zerlegt unterdessen in der Küche wieder einige der lästigen Pelzträger. Da Opossums zur Plage geworden sind, wird damit geworben, dass der Verzehr eines Possum Pies den Wald in Neuseeland schützt.
Hokitika Pete's Possum Pie Pete's Possum Pie
Pete's Possum Pie Pete's Possum Pie Pete's Possum Pie


Nach einem Spaziergang auf dem Fox Gletscher rolle ich weiter nach Haast. Von dort aus geht es landeinwärts in die Alpen. Das Panorama bei der Überquerung des Haast Passes ist traumhaft. Wasserfälle stürzen von steilen Berghängen ins Tal, schneebedeckte Gipfel leuchten in der Sonne. Der Haast Pass ist doch steiler, als mir erzählt wurde, und entpuppt sich als giftiger Wadenbeisser. Nach einer Bananenpause auf der Passhöhe geht es mit 74 km/h wieder hinunter. Die Strecke führt über eine Hochebene und dann am Lake Wanaka entlang. Zum ersten Mal habe ich längere Zeit Rückenwind und rausche mit 35-40 km/h durch die Bilderbuchlandschaft.
Fox Glacier Fox Glacier
Haast Pass Haast Pass
Haast Pass Haast Pass


Nach strammen 150 km rolle ich in Wanaka ein. Wanaka liegt am gleichnamigen See und besticht durch das herrliche Bergpanorama, welches man fast überall im Ort geniessen kann. Ich zelte direkt neben dem Gelände der Upper Clutha Agricultural and Pasteural Show, so einer Art regionaler Landwirtschafts- und Pferdeshow. Nach nächtlichem Pferdegetrampel unmittelbar neben meinem Zelt werde ich um 7 Uhr morgens mit Countrymusic geweckt. Da muss ich doch mal schaufen, was nebenan so alles geboten wird. Auf dem zentralen Platz der Show findet ein Springreitturnier statt. Daneben sind Trecker und andere Landmaschinen ausgestellt. Gegenüber sind Zuchtschafe, Ziegen und Lamas in Gatter eingepfercht. Hier findet auch die Bemusterung der Schafe statt. Der Prüfer benotet Zähne, Körperbau und Wolle der Blöker. Neben den bekannten Merinoschafen sind noch mindestens sieben andere Rassen am Start, Matangi, Stonehenge und wie sie alle heissen. Etwas ausserhalb finden die Dog Trials statt. Dabei muss ein Schäfer mit seinem Hund drei scheue Schafe durch einen Parcours aus Toren und Brücken treiben. Faszinierend ist das Zusammenspiel von Mensch und Hund. Während die meisten Schäfer ihre Hunden Kommandos wie left, right, behind, sit, jump geben und mitlaufen, bleibt einer der Schäfer einfach am Ausgangspunkt stehen. Hände in den Taschen dirigiert er seinen Hund nur mit Pfiffen. Bis auf den Punkt bringt er die drei Schafe wieder zurück.
A&P Show A&P Show
A&P Show A&P Show


Mit sattem Rückenwind geht es von Wanaka aus nach Cromwell, der Steinfruchtmetropole. Mit über 40 km/h geht es am Lake Dunsten entlang. Der Stausee zieht sich lang durch eine enge Felsschlucht. Das aufgestaute Wasser speist das drittgrösste Wasserkraftwerk des Landes am Clyde Dam. Clyde ist auch der Ausgangspunkt für den Otago Central Rail Trail, eine 150 km lange, als Rad- und Wanderweg umgestaltete Eisenbahntrasse. Die Schienen wurden kurzerhand als Zaunpfosten verwendet. Die durchgängig geschotterte Strecke rappelt so manche Schraube los und führt durch malerische Landschaft in der Provinz Otago. Wie eine Dampflok rolle ich durch Tunnel, über Brücken und zwischen skurrilen Schieferfelsen hindurch. Herrliche Fernblicke über die hügelige im Sonnenlicht gold leuchtende Landschaft eröffnen sich mir. In Ophir, einem alten Goldsucherdorf, überquere ich eine über 100 Jahre alte Brücke. Von den 1000 Einwohnern zu Zeiten des Goldrausches sind noch 60 übrig geblieben. Den Dorfpub, das Blacks Hotel, gibt es aber noch. Ich nutze die Gelegenheit und schnuppere etwas Dorfleben, schaue Rugby und gönne mir nach dem langen Ritt ein frisch gezapftes Speights.
Cromwell Central Otago Rail Trail
Central Otago Rail Trail Central Otago Rail Trail
Central Otago Rail Trail Central Otago Rail Trail
Ophir Ophir


In Oturehua, ebenfalls ein ehemaliges Goldsucherdorf, ist sogar noch der alte Kolonialwarenladen in Betrieb. Ein wahres Schmuckstück für alle Nostalgiker. Die Tüftelwerkstatt von Hayes Engineering ist mittlerweile allerdings Museum. Ursprünglich wurde eine Wasserturbine genutzt, um über etliche Wellen und Lederriemen den ganzen Maschinenpark anzutreiben. Bohrer, Schleifbock, Drehbank, Stanze. Alles wurde über Lederriemen angetrieben. Die Firma Hayes existiert auch heute noch und fertigt weiterhin Farmbedarf wie Zaunpfosten und Drahtspanner.
Kolonialwarenladen Hayes Engineering
Hayes Engineering Hayes Engineering
Hayes Engineering Hayes Engineering Hayes Engineering


Mehrere gemütliche Pubs säumen den Rail Trail und bieten immer wieder Gelegenheit das Rad abzustellen, den Flüssigkeitsverlust auszugleichen und nebenbei mit anderen Rail Trail Radler zu quatschen. In Pukerangi hänge ich schliesslich meinen Helm an den Nagel und steige auf den Taieri Gorge Railway auf. Der historische Zug zockelt durch die enge Taieri Schlucht und bringt mich schliesslich nach Dunedin.
Rail Trail Rail Trail
Rail Trail Rail Trail
Rail Trail Rail Trail
Rail Trail Rail Trail


Der Bahnhof von Dunedin ist ein echtes Schmuckstück, angeblich der meist fotografierte Bahnhof der Welt. Dunedin liegt zwischen steilen Bergen an der Ostküste. Der Versuch den Plan einer britischen Stadt auf die hügelige Topographie zu projizieren führte zu irrsinnig steilen Strassen. Baldwin Street gilt laut Guiness Buch als steilste Strasse der Welt. Der Anstieg zwingt mich tatsächlich aus dem Sattel und lässt so manche Schweissperle von meiner Stirn rollen.
Dunedin Dunedin
Dunedin Dunedin
DunedinDunedin


Anderthalb Autostunden nördlich von Dunedin, bei Macraes Flat, befindet sich die grösste, aktive Goldmine des Landes. Hier wird goldhaltiges Gestein im Tagbau abgebaut. Das losgesprengte Gestein wird mit 300 t schweren Baggern auf ebenso schwere Muldenkipper geladen. Letztere kriechen mit einem Spritverbrauch von 120 l Diesel pro Stunde zur Anlage hoch. Dort wird das Gestein gebrochen und in Kugelmühlen kleingemahlen. Nach Zugabe einer Cyanidlösung schwimmt der goldhaltige Anteil auf und kann abgerakelt werden. Im Autoklav wird der Gesteinsanteil bei 3000 bar und 200 Grad künstlich gealtert, d.h. oxidiert. Anschliessend kann das Gold im Elektrolysebad an Stahlelektroden abgeschieden und danach von den Elektroden abgeschmolzen werden. Jede Woche verlassen 2-3 Goldbarren mit einem Wert über 200.000 Dollar je Barren die Anlage. In der Nähe ist auch noch eine alte Grabungsstätte einschliesslich Stampferbatterie zu sehen.
Macraes Flat Goldmine Macraes Flat Goldmine
Macraes Flat Goldmine Macraes Flat Goldmine


Nach über 2500 Radkilometern bestreite ich den Rückweg nach Auckland mit dem Bus. Die Busfahrer brettern mit über 100 km/h über die kurvige, enge Landstrasse. Am Lake Tekapo mache ich noch einmal Station, um die Kirche des guten Schäfers und das Schäferhunddenkmal zu besuchen. Zwei Bustage später bin ich in Auckland und bereite mich auf meine Heimreise vor. Die grandiose Landschaft und die freundlichen Neuseeländer bleiben mir wohl in Erinnerung.
Lake Tekapo Schaeferhunddenkmal


 

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