Neuseeland, Nordinsel

"Alles Kiwi, oder was?" Die meisten Kiwis findet man zweifellos auf den vielen Farmen, insbesondere auf der Nordinsel Neuseelands. Sie hängen dort und warten darauf von jungen Reisewütigen mit Work & Travel Visum gepflückt zu werden. Manche Kiwis haben aber auch 2 Beine. Die leben nicht nur auf Farmen. 4 Millionen gibt es davon, wobei Auckland gleich mal ein Drittel davon beheimatet. Sie geben sich sehr freundlich und multikulturell. Wiederum andere Kiwis haben zwar auch 2 Beine, sind aber sehr scheu und kämpfen ums Überleben. Das Multikulturelle in Form eingeschleppter Säugetierte schmeckt den plumpen Gesellen überhaupt nicht. Vor allem eines verbindet die 3 verschiedenen Kiwis in Neuseeland miteinander: Die grandiose Landschaft.
Kiwi Forgotten World Highway


Am Flughafen in Auckland wird zur Begrüssung mein Rucksack umgekrempelt und alles durchsucht. Da Neuseeland sehr stark von der Landwirtschaft abhängt und ein empfindliches Biosystem hat, ist das Prozedere bei der Einreise verständlich. Frische Lebensmittel, Tiere und Tierprodukte müssen in der Regel draussen bleiben.

Aus Asien kommend kommt mir alles so sauber und ordentlich, ja fast steril vor. Das Stadtzentrum Aucklands ist eine geschmackvolle Anordnung schicker Läden, feiner Restaurants und einiger Bürohochhäuser. Der Skytower raget mit über 300 m aus der Skyline heraus. Natürlich kann man auch hier an einem Gummiseil herunter springen. Die Menschen sind ein Gemisch aus Maoris, Polynesiern, europäisch Stämmigen, Koreanern, Chinesen und Japanern. Die Preise erinnern eher an Mitteleuropa als an Asien. Den Strassenmarkt mit der leckeren 40 ct Nudelsuppe suche ich vergebens. Stattdessen stolpere ich über eine Burgerbräterei nach der anderen. McD, Würger King, KFC, Wendy's, hier sind sie alle vertreten. "Milch und Joghurt sollten billig sein", denke ich. Es gibt so viele Kühe und Schafe hier. Bei mehr als einem Euro für einen Liter steriler Industriemilch vergeht mir jedoch der Appetit. Auch der Döner für 3 Euro ist nicht gerade eine Delikatesse. Mit Fiji-Bananen und Muffins in allen erdenklichen Geschmacksrichtungen überwinde ich schliesslich meine anfängliche Enttäuschung.
Auckland Skulptur
Rain Oh Possum


In und um Auckland gibt es etliche Vulkane. Einer der jüngsten ist der Rangitoto, dessen Gipfel 200 m aus dem Meer ragt. Nach einer halbstündigen Bootsfahrt stiefele ich mit zwei Frankokanadiern über die Lavafelder zum Gipfel. Die Aussicht über die Skyline von Auckland und die umgegenden Inseln ist fantastisch.
Auckland Auckland Auckland


Im riesigen Auckland Museum gibt es vieles zu lernen, Vulkanologie, Natur- und Landesgeschichte werden hier insbesondere für Kinder begreifbar gemacht. Ich bewundere die typischen Maori Schnitzereien. Sie waren die ersten Siedler auf den Inseln. Markenzeichen der Maori sind auch heute noch die langen, am Hinterkopf zusammengebundenen Haare, die riesigen Augen und Tatoos im Gesicht, auf den Armen und auf den Beinen. Die Muster werden von der Spirale dominiert, die an die Form von Muscheln oder das sich entfaltende Farnblatt erinnert. Die dargestellten Figuren strecken meist die Zunge raus und reissen die Augen auf - eine Kampfgeste, um den Gegner einzuschüchtern.
Auckland Museum Auckland Museum Auckland Museum


Nach einer Woche habe ich schliesslich ein reisefähiges Fahrrad samt Ausrüstung organisiert, welches mich die nächsten 8 Wochen über die beiden Inseln tragen soll. Dass es dabei hügelig zugeht und das Fahrrad mit Gepäck nicht gerade leicht ist, erfahre ich gleich auf der ersten Etappe. Dazu noch etwas Regen und Gegenwind und fort ist sie, die Anfangseuphorie. Naja, irgendwoher muss das ganze Grün ja kommen. Da kann nicht immer die Sonne scheinen. Vorbei geht es an malerischen Farmen. Alles ist sauber und ordentlich. Man könnte fast meinen, dass für die Neuseeländer Rasenkantenschneiden genauso eine täglicher Akt ist wie das Zähneputzen. Die Blumen am frisch gestrichenen Zaun stehen in voller Blüte. Alles erinnert mich an einen riesigen englischen Park. Etwas weiter begrüssen mich auch die ersten Kühe und Schafe mit selten doofen Blicken. Neben Landschaft gucken zähle ich auch schon platte Igel oder suizide Opossums am Strassenrand, um mir die Zeit zu vertreiben.
Kiwi Radl?
Farmhaus Schaf
Possum Oh Possum


Hot Water Beach auf der Coromandel Halbinsel ist meine erste Station. Hier steigt am Strand 64 Grad heisses Wasser an die Oberfläche. Die Stellen sind jedoch nur bei Ebbe zugänglich. Wenn dann auch noch wenig Wellen sind, kann man sich im Sand seinen eigenen Thermalpool graben. Ich beschränke mich darauf meine Füsse in den Sand zu graben, um sie kurz darauf rot glühend wieder heraus zu ziehen. Ein paar Kilometer weiter hat die Brandung einen Torbogen in den Felsen erodiert, die sogenannte Cathedral Cove.
Hot Water Beach Cathedra Cove
Hot Water Beach Hot Water Beach


Mitten auf der Nordinsel befindet sich der Ort Rotorua, ein Zentrum der Maorikultur und des Vulkanismus. "Nichts gegen die Tourismusindustrie, aber dieser Ort stinkt", lese ich in einem Reiseführer. Je nach Windrichtung durchzieht ein schweflig-fauler Geruch meine Nase. Auf Schritt und Tritt erfahre ich, wie dünn die Erdkruste unter mir ist. Mitten in der Stadt dampft, sprudelt, blubbert und faucht es heiss aus Erdlöchern. Der Thermalpool gehört zur Standardausstattung fast jeder Unterkunft. Am Rande der Stadt bewundere ich in einem Kulturzentrum die Maori-Schnitzkunst und die tollen Jade Schmuckstücke. Nebendran schiesst ein Geysier aus dem Boden.
Rotorua Rotorua
Rotorua Rotorua
Rotorua Rotorua
Rotorua Rotorua Rotorua


Von Rotorua mache ich einen Tagesausflug zu einem der vielen Vulkanseen. Nach 30 km auf dem Rad wechsele ich die Schuhe und wandere durch den Busch. Faszinierend die vielen exotischen Bäume und die verschiedenen Farnarten. 160 verschiedene Farne gibt es in Neuseeland. Auf meiner 8 stündigen Wanderung begegne ich gerade mal einem Menschen, einem Jogger.
Rotorua Lake Rotorua


Taupo ist die nächste Station. Die Erholungstage in Rotorua taten gut. Die 100 km bis Taupo gehen runter wie Öl. Auf einem wunderschönen Mountainbiketrail lasse ich mit vollem Gepäck mal eben zwei Mountainbiker stehen. Kurz darauf reisst mir die Kette. Wohl etwas zuviel Kraft. Bevor ich repariere, geniesse ich erst einmal die Aussicht auf die Huka-Falls und nebenbei noch einen Muffin.
Huka-Falls Lake Taupo
Lake Taupo Industrieradio


Lake Taupo ist der grösste See in Neuseeland. "Von oben lässt sich der blaue See am besten bewundern", denke ich in meinem jugendlichen Wahn und steige in den Sportflieger ein. Direkt hinter mir sitzt der wichtigste Mann - der mit dem Fallschirm. Auf 12000 Fuss (4000 m) verkuppelt er sich mit mir und setzt mir zur Feier des Tages noch Fliegermütze und Brille auf. "Ratsch", da geht auch schon die Tür auf. Laut pfeift der Wind durch die Kabine. Der erste Instruktor mir Helmkamera steigt aus und hängt aussen am Flieger. Mir wird ganz anders. "Muss das sein, dass ich gleich da runter springe?" Ein Ruck geht durch den Flieger, als der Kameramann und das erste Tandemgespann abspringen. Plötzlich sitze ich in der Öffnung. Meine Beine baumeln im Wind. Unter meinen Füssen ist es tief, sehr tief, 12000 Fuss, um genau zu sein. Warum ich auf dem Exit-Foto noch lache, weiss ich nicht. Plumps. Jetzt ist alles zu spät. Wie im Alptraum falle ich orientierungslos durch die Luft. "Nein, keine Achterbahn. Das ist freier Fall." Dann sehe ich den Lake Taupo unter mir. Greg, mein Instruktor, klopft mir auf die Arme. Jetzt darf ich meine Arme auch ausstrecken und die Luft fühlen, wie sie mit 200 km/h durch meine Finger rinnt. Nach einem sanften Ruck sind wir plötzlich in der Vertikalen. Greg hat den Fallschirm gezogen. Viel wohler ist mir nicht. Ich baumele immer noch in über 1000 m Höhe. Greg lockert die Gurte, um es etwas bequemer zu machen. "Von wegen bequemer. Du wirst mich doch wohl nicht ausklinken wollen hier oben", denke ich in panischer Angst. Greg gibt mir die Steuerleinen. Wenn ich auf einer Seite ziehe, rast der Fallschirm spiralförmig nach unten. Also besser nicht ziehen. Dafür zieht Greg dann daran. Schon rutschen wir mit dem Hintern sanft über den frisch gemähten Rasen. "Good job", meint Greg zu mir. Ich bin immer noch vor Angst gelähmt. Mein Magen beschwert sich noch Stunden später über die Aktion. Jedenfalls weiss ich jetzt, dass ich Bungeespringen definitiv nicht ausprobieren werde und mich vorerst auch nicht mehr an einen Fallschirm hänge.
Skydive Skydive
Skydive Skydiver


Etwa 100 km südlich von Taupo ist der Tongariro National Park. Hier kann man ausgiebig auf, um und zwischen den Vulkanen wandern. Die meisten Touris, mich eingeschlossen, machen jedoch nur den Tongariro Crossing, d.h. eine Eintageswanderung über einen der Vulkansättel. Zu Spitzenzeiten sind 500 Wanderer auf der Strecke unterwegs, die lindwurmartig am Vulkankrater entlang trampeln.

Um die Besonderheit der Landschaft mit rot schimmernden Ablagerungen, smaragdfarbenen Seen und skurrilen Lavaformationen wusste auch Peter Jackson, als er im Film "Herr der Ringe" einen der Vulkane zum Mt. Doom auserkor.
Tongariro Tongariro
Tongariro Tongariro


Von Taupo aus radele ich weiter nach Südwesten. Rückenwind schiebt mich im morgentlichen Sonnenschein am See entlang. In weniger als 2 Stunden habe ich die 52 km bis Turangi zurückgelegt. Doch die Wolken werden dichter über mir. Beim nicht enden wollenden Anstieg auf einen 800 m hohen Sattel giesst es in Strömen. Etwas Gegenwind rundet die Stimmung schliesslich noch ab. Nach 4 Stunden Regenfahrt, kann ich nichts Trockenes mehr an mir entdecken. In der nächsten Stadt will ich eigentlich unterkommen. Der Campingplatz liegt weit vor der Stadt im Sumpf - negativ. In der Stadt gibt es nur teure Motels - ebenfalls negativ. In einem Pub treffe ich Bruce, der auf einer Farm arbeitet und sagt, dass er noch Platz für mich hat. Einziges Problem ist, dass das Farmhaus noch einmal 43 km weiter ist. "3 kleine Hügel. Ansonsten flach", meint er noch. Immerhin scheint wieder die Sonne. "Bis um 8 müsste ich es geschafft haben', entgegne ich und schwinge mich nochmal in den Sattel. Am vierten, nicht gerade kleinen Berg habe ich gerade mal 20 km hinter mir. Das vor mir sieht alles andere als flach aus. Nach etlichen weiteren qualvollen Anstiegen komme ich schliesslich 5 nach 8 an dem einsamen Farmhaus an. Fix und alle bin ich. 164 km sagt mein Tacho, strömender Regen und knackige Anstiege inklusive. Was eine Mammutetappe!

Bruce wohnt und arbeitet hier die meiste Zeit, hält die Zäune in Schuss und kümmert sich um alle technischen Sachen. Mit ihm in dem Haus wohnt Craig, ein junger Schäfer. Die beiden laden mich sogar noch zum Abendessen ein. Es gibt Curry-Chinakohl mit Kartoffeln, Kumara (Süsskartoffel) und Wildschwein-Hackbraten (selbstgeschossen). Das schmeckt natürlich nach der langen Fahrt besonders lecker.

Craig erzählt mir von seiner Arbeit als Schäfer. 15000 Schafe und 3-4000 Rinder gibt es auf der Farm. 15 Leute sind mit der Pflege der Tiere und der Weiden beschäftigt. Da Craigs Hunde die Mittagshitze nicht so gut vertragen, reitet er meist frühmorgens schon raus auf die Weiden. Zwei Hundetypen hat er, Header und Huntaways. Während Header nicht bellen und nur mit ihren Augen einzelne Tiere zur Herde zurücktreiben, können Huntaways durch Bellen riesige Herden vor sich her treiben.

Am Morgen macht Bruce Bacon and Egg Toasts. Craig ist schon längst ausgeritten. Bruce sammelt leere Patronenschachteln von Jagdpatronen. Auch Craig hat eine Waffenlizenz. Hin und wieder schiessen sie auch was, ein Wildschwein oder Enten für die Hunde. Was auf der Farm geschossen wird, darf man einfach behalten.

Bevor ich loskomme, will noch mein Hinterreifen geflickt werden. Dann rolle ich weiter auf dem sogenannten Forgotten World Highway. Die grüne Hügellandschaft mit den endlosen Weiden strahlt eine einmalige Friedlichkeit aus. Die gestrige Mammutetappe steckt mir noch in den Knochen. Mindestens 4 Sättel wollen bis zu nächst grösseren Stadt überquert werden. Meist gönne ich mir oben jeweils eine Pause, esse etwas und geniesse die Aussicht auf die Vulkane des Tongariro National Parks im Osten und den imposanten Mt.Taranaki im Westen. Nach 112 km rolle ich schliesslich in Stratford ein. Kurz bevor die Küche auf dem spiessigen Campingplatz abgeschlossen wird, bruzzele ich noch ein paar Nudeln zusammen.
Forgotten World Highway Forgotten World Highway


In Statford gibt es das einzige Glockenspiel Neuseelands. Dreimal am Tag gehen zur vollen Stunde an dem Fachwerktürmchen Klappen auf. Bemalte Puppen sind zu sehen und im Hintergrund werden Szenen con Romeo und Julia eingespielt. Direkt neben dem Campingplatz ist ein wunderschöner Park angelegt, der mich mehrfach zum Spazierengehen einlädt. Den alles überragenden Mt.Taranaki kann ich nur aus der Ferne bewundern. Für eine Wanderung am Berg ist das Wetter zu unsicher.
Glockenspiel Stratford Glockenspiel Stratford


Die 350 km bis Wellington lege ich mit dem Bus zurück. Alle Radler raten mir von der Strecke ab. "Zuviel Verkehr, zu enge Strassen, nix zu sehen." In Wellington gönne ich mir einen längeren Aufenthalt. Die Stadt liegt in einer felsigen Bucht. Die Strassen winden sich steil an den Hängen entlang. Manchmal pfeift ein heftiger Wind durch die Strassen. Das Cable Car im Zentrum der Stadt erinnert mich an die Heidelberger Bergbahn und bringt mich zum grossen Botanischen Garten mit vielen exotischen Pflanzen, einem Begonienhaus und einem schicken Rosengarten.
Wellington Wellington Wellington
Cable Car Wellington Botanischer Garten Wellington
Silberfarn, Botanischer Garten Wellington Botanischer Garten Wellington


In der Umgebung von Wellington gibt es herrliche Parks zum Wandern, Reiten, Radfahren,... Im Rimutaka National Park radele ich über eine alte Eisenbahntrasse, den Rimutaka Rail Trail. Es geht über Brücken und durch dunkle Tunnel.
Rimutaka Rail Trail Rimutaka Rail Trail


Das Karori Wildlife Sanctuary ist ein grosses, eingezäuntes Naturreservat unmittelbar am Stadtrand. Hier sind ursprüngliche Pflanzen und Tiere Neuseelands angesiedelt. Der spezielle, dichtmaschige Zaun schützt vor allem davor, dass von aussen keine schädlichen Tiere wie Possums, Wildkatzen, Ratten, Hunde und Marder hereinkommen. Im Reservat leben viele exotische Bäume und Vögel. Darunter sind auch der legendäre Kiwi und der immer wieder gern gesehene Tui, dessen Konterfei auch gleichnamiges Bier ziert. Auch die Tuatara, ein lebendes Fossil, lässt sich leicht beobachten. Die Millionen Jahre alte Echsenart hat die Angewohnheit, sich jeden Tag am gleichen Ort zum Sonnenbaden einzufinden. Für die nachtaktiven Wetas (daumendicke Schrecken) sind eigens Hotels in Form von aufklappbaren Baumstämmen errichtet worden. Wenn man tagsüber den Stamm aufklappt, krümmen sich die schlafenden Wetas zusammen.
Karori Wildlife Sanctuary, Tuatara Karori Wildlife Sanctuary, Tui
Karori Wildlife Sanctuary, Kiwi Karori Wildlife Sanctuary, Wetas


Gerade rechtzeitig bin ich zum Einlauf der Segler des Volvo Ocean Race in Wellington. Die Formel 1 des Segelsports macht auf ihrem Rennen um die Welt in Wellington Station. Die Rennboote mit ihrer 11 Mann starken Besatzung sind technische Leckerbissen. Die endloslangen Kohlefasermasten überragen deutlich alle anderen Segelboote. Nach einem kurzen Zwischenstopp geht es für die 6 Teams weiter nach Rio de Janeiro. Das Anlegerbier lässt jedoch keine Crew aus.
Volvo Ocean Race Volvo Ocean Race
Volvo Ocean Race Volvo Ocean Race
Volvo Ocean Race Volvo Ocean Race Volvo Ocean Race


 

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