Mai 2016

Kolumbien

Frankfurt-Bogotá

Es riecht nach Kerosin, als ich aus dem ICE aussteige. Samstagmittag Flughafen Frankfurt. Die Dame am Check-In rät ohne Blick auf meine Boarding Card, dass ich nach Botogá will. Auf dem Weg Richtung Gate muss ich meinen Reisepass vorzeigen. Ich fummele ihn zusammen mit einigen Geldscheinen aus meinem Geldgurt. Der Kontrolleur weist mich dezent darauf hin, dass ich den Reisepass besser einzeln verstauen soll. Wenn ich bei der deutschen Bundespolizei den Reisepass zusammen mit Geldscheinen herauszöge, bekäme ich vielleicht eine Strafe. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass auch die kolumbianische Bundespolizei dafür eine Strafe verhängen würde - mit dem Unterschied, dass die Strafe mit den am Reisepass klebenden Geldscheinen exakt abgegolten ist.

Noch bevor ich den Amazonas betrete, begegnen mir die ersten Affen. Sie stimmen mich darauf ein, dass ich bald die glitzerde Markenwelt Mitteleuropas für eine Weile verlassen werde.
steifftiere nnc away

Mein kolumbianischer Sitznachbar im Flieger bekreuzigt sich, als der Pilot den Hebel auf den Tisch legt und uns die Startbeschleunigung in den Sitz drückt. Nach der ersten Dose Warsteiner bin ich bereit für das mittelschwere Sudoku im Handelsblatt. Es fordert mir bereits einiges ab. Während mein Nachbar "The Revenant" guckt, schreite ich zum schweren Sudoku. Mein Sudoku-Flow wird von Chicken mit Polenta jäh unterbrochen.

Als ich mir im Backoffice ein Blechbrötchen hole, treffe ich Rodrigo, Systemingenieur und Regierungsangestellter aus Bolivien. Er hat gerade mehrere Goethe-Institute besucht, u.a. in Bonn und in Berlin. Bonn gefällt ihm sehr gut, da dort die Menschen warmherzig sind. In Berlin empfindet er das nicht so. Dafür riecht es dort nach Historie.



Bogotá

In Bogotá angekommen, ist es bereits dunkel. Carlos von der Sprachschule und sein Vater, ebenfalls Carlos, holen mich vom Flughafen ab. Carlos Sr. ist pensionierter Chemieingenieur und ganz neugierig, was ich denn in Kolumbien vorhabe und was ich beruflich mache. Die beiden bringen mich in mein Apartment. Das liegt im 13.Stock eines 22-stöckigen, sterilen Wohnhochhauses. Mit einer Dose Club Colombia aus dem hauseigenen Minisupermarkt schleiche ich mich auf das Hochhausdach und blicke über das endlose Lichtermeer der Riesenstadt. Der Wind pfeift ordentlich hier oben und kalt ist es auch, so dass ich mich mit meinem Bierchen wieder in mein Apartment zurück ziehe.
pano

Bogotá mit seinen über 8 Millionen Einwohnern wirkt auf mich recht modern mit den unzähligen Hochhäusern, den breiten Strassen und den vielen Autos. Selbst im 13. Stock meines Wohnturmes kann ich dem allgegenwärtigen Lärm nicht entrinnen. Dass Bogotá aus 2600 m liegt, spüre ich an meinem Herzschlag. Selbst wenn ich ganz ruhig sitze, habe ich Phasen, in denen mein Körper durch den kräftigen Herzschlag vibriert. Das ist fast so wie bei meinem Passat Diesel, wenn ich vor der Ampel leicht aufs Gas tippe und der Impuls der Kurbelwelle das Fahrzeug um die Längsachse schaukeln lässt. Das Klima ist tageszeitlichen Schwankungen unterworfen. Morgens friere ich und benötige Fleece und Jacke. Mittags, wenn die Sonne herauskommt, hole ich mir im T-Shirt einen Sonnenbrand, und abends frischt der Wind auf und treibt wieder kalte Luft durch die Häuserschluchten.
skyscraper skyscraper heartless

Während mein Frühstück mit frischen (!) Früchten und Milch recht übersichtlich aufgebaut ist, geniesse ich in den ideenreichen Restaurants tolle Leckereien, wie z.B. eine Cazuela (Eintopf) mit Yucca, Empanadas, Möhrenkuchen, Lulosaft,...
frutas cazuela empa

Bevor mein 2wöchiger Sprachkurs beginnt, nutze ich den freien Sonntag für einen Bummel ins Zentrum. Sonntagmorgens ist in Bogotá Ciclovia, d.h. eine der Hauptverkehrsachsen ist für Autos gesperrt und für Radfahrer, Skater, Läufer, Fussgänger, Hunde, usw. freigegeben. Trotz Nieselregen lassen sich die Bogotános nicht davon abhalten die Ciclovia entlang zu rollen. Ich freue mich über den bunten Mix von Fahrrädern. Es ist alles vertreten: Stadtrad, Schrottrad, Rennmaschine, MTB, Tandem, Bonanzarad, Single-Speed-Fixie, Klapprad, Bahnrad,...
ciclovia ciclovia ciclovia
ciclovia ciclovia ciclovia

Entlang der Ciclovia gibt es viele Stände mit frischem Saft und Obst sowie kleine Servicestationen für die Fahrräder. Je mehr ich mich dem Zentrum nähere, desto voller wird die Strasse. Die Dichte der Radfahrer nimmt ab zugunsten der Fussgänger, fliegenden Händler und Strassenkünstler.

Ich kaufe von einem Händler ein Pfund Mangostanen und eine Guama-Schote. Die Mangostanen haben im Inneren 5-6 weisslich glibbrige Segmente, die leicht süsslich schmecken. Die Guama ist eine riesige Schote. Die kann man aufschälen und findet im Inneren Paranuss-grosse Kerne, die von weissem, leicht pelzigem Fleisch überzogen sind. Das leckere Fleisch kann man leicht von den nicht essbaren Kernen lutschen.
dealer Mangostin guama

Das Unterhaltungsprogramm auf der Strasse ist sehr vielfältig. Neben Musikgruppen gibt es Schachspieler im Bundesligadress, Salsatänzer, einen Scherbenfreak und sogar Meerschweinchenroulette.
scheiss bayern salsa cut my life into pieces
cut my life into pieces Click 4 Minivideo (55 MB): "Cut my life into pieces.."

Schliesslich gelange ich zur Plaza Bolivar, dem Zentrum Bogotás. Die leicht abfallende Plaza wird umsäumt vom Capitolio Nacional (Sitz des Kongresses), dem Rathaus, dem Justizpalast und einer Kirche mit angeschlossenem Palast des Erzbischofs. Auf dem riesigen Platz wirkt die Statue des grossen Befreiers Simon Bolivar eher mikrig.
plaza
and justice for all libertador

Ich schliesse mich einer spontanen Stadtführung an und erfahre u.a. einiges über die Persönlichkeiten auf den Geldscheinen. Auf der 5000 Pesos Note ist einer der bekanntesten Dichter Kolumbiens abgebildet, Jose Asuncion Silva. Er litt unter der unerfüllbaren Liebe zu seiner eigenen Schwester Elvira, welche auf der Rückseite des Scheins abgebildet ist. Durch geschicktes Falten der Banknote wird Joses gebrochenes Herz und die von ihm gewählte "Problemlösung" in Form eines Weinglases erkennbar.
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Der Hunger treibt mich in ein Restaurant namens Capybara. Der Name ist Programm, so dass ich gleich gegrilltes Capibara (Wasserschwein) bestelle. Die Portion ist ausserordentlich fleischlastig, der Geschmack irgendwo zwischen Schwein und Huhn. Nicht umsonst stehen die Capybaras bei den Kaimanen in den Llanos ganz oben auf der Speisekarte.
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Auf dem Weg zurück in mein Apartment schaue ich mir noch einige der unzähligen Grafittis an.
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Einer der bekanntesten Künstler Kolumbiens ist Fernando Botero. Einige seiner Werke stellte er dem nach ihm benannten Museum zur Verfügung mit der Auflage, dass der Eintritt frei sei. Am bekanntesten sind seine Skulpturen, die recht üppige, unbekleidete Damen darstellen. Aber auch die anderen Werke Boteros, ob Stileben oder Tierskulpturen weisen eine gewisse körperliche Gedrungenheit auf.
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Da ich mich zum Joggen oder Radfahren draussen im dichten Verkehr nicht austoben mag, weiche ich auf die hauseigene Muckibude aus. Während ich mich auf einem Spinning-Rad abstrampele, hängt neben mir ein Gorilla sämtliche verfügbaren Hantelscheiben auf die Beinpresse und packt noch ein halbes Dutzend riesiger Kurzhanteln obendrauf. Aus seinem MP3 Player plärrt Modern Talkings Brother Louie durch den Saal....

Vieles ist in Bogotá deutlich günstiger als in Deutschland. Ein Essen in einem einfachen Restaurant liegt selten über 5 EUR, ein frischer(!) Fruchtsaft kostet 1-1,50 EUR, Taxifahrten in der Stadt liegen selten über 4 EUR, 2 kg Wäsche in 3 h waschen und trocknen lassen kostet ca. 3 EUR, eine 2 stündige Busfahrt in die Umgebung Bogotás liegt bei 1,50 EUR und der Liter Sprit (Benzin/Diesel) geht für 50 ct durch den Tankrüssel.

Zum Pflichtprogramm in Bogotá gehört zweifellos das sehr sehenswerte Goldmuseum (Museo del Oro). Neben der Entwicklung der Goldverarbeitung sind unzählige Goldarbeiten aus allen Landesteilen ausgestellt. Durch die teilweise sehr hohe Anzahl an Exponaten in den Vitrinen bekommt die Ausstellung für mich ein wenig Flohmarktcharakter. Die Formen einiger Exponate erinnern an die der Mayas in Mexico. Einer der Höhepunkte im Museum ist die Balsa Muisca, ein komplett aus Gold gearbeitetes, ca. 19 cm langes Floss aus der Muisca-Kultur.
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Zipaquirá

Der Ort Zipaquirá liegt ca. 50 km nördlich von Bogotá. Der Name setzt sich zusammen aus "Zipa", dem Namen eines Caciquen (Häuptling), und "quirá", was für fruchtbares Land steht. Das historische Zentrum strahlt verglichen mit Bogotá eine gewisse Gemütlichkeit auf mich aus. Es gibt weniger Autos, weniger Lärm, weniger Hektik. Zipaquirá ist vor allem durch die Salzkathedrale bekannt. Eine Gruppe von Minenarbeitern legte die Kathedrale in mehreren Jahren zum Gedenken an die harte Arbeit in der Salzmine an. Später übergaben Sie die Kathedrale einschliesslich der damit verbundenen zukünftigen Einnahmen der Gemeinde Zipaquirá. Es geht 180 m unter die Erde, vorbei an 12 Felskreuzen, die die Kreuzwegstationen markieren. Höhepunkt ist ein riesiges, indirekt beleuchtetes Kreuz am Kopfende einer der drei ca. 20 m hohen länglichen Dome. Neben dem religiösen Teil, gibt es unter Tage auch einen komerziellen Teil mit Cafés und Souveniershops. Wieder an der Oberfläche gönne ich mir eine gegrillte Hühnerbrust mit Chimichurri-Sauce und einen Brombeersaft mit Milch.
zipa chillboy flying cross
ist schon ein kreuz mit den selfies erzengels pull my finger, beavis
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Puerto Nariño
(Amazonas)

Nach 2 Wochen Sprachschule verabschiede ich mit von meinen Mitschülern und meinen Lehrern, die mir so ein schönes Geburtstagsständchen gegeben haben. Dann geht es raus aus der Riesenstadt mitten in den Amazonas. Während die Taxifahrt zum Flughafen in Bogotá fast eine halbe Stunde dauert, kann ich in Leticia in einer halben Stunde mit meinem Gepäck vom Flughafen zum Hafen laufen. Obwohl das Schiff ausgebucht ist, habe ich Glück und bekomme noch einen Platz auf einem Plastikhocker. Vor 13 Jahren war ich zuletzt auf dem Amazonas. Die Faszination in der Lunge der Welt zu sein, irgendwo in diesem Riesen-Brokkoli von Bäumen, ist jedoch wieder die gleiche. Beim Anblick des Amazonasufers sind der Lärm und die Hektik Bogotás schnell vergessen. Nach 2,5 h entlang der peruanischen Grenze legt das Boot in Puerto Nariño an. Der Rhythmus ist hier ein anderer als in Bogotá. Autos gibt es hier nicht, Kinder spielen auf dem Weg, die Menschen sind freundlich und entspannt. Die Mülltrennung funktioniert noch nicht so ganz. Wenn ich in die verschiedenfarbigen Tonnen schaue, ist überall der gleiche Mischmasch aus Plastik und organischem Abfall darin, auch in der Tonne für Altbatterien.
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Morgens im Dunkeln sind schon viele Bewohner auf den Beinen und laufen zum Fluss, um Fisch, Gemüse und Früchte zu kaufen. Meist sind ca. 5 Fische mit einem Rindenstreifen zusammengebunden und lassen sich so bequem am langen Arm heimtragen. Die Vielzahl an Fischen ist gross. Viele sind Wels-artig mit langen Barteln. Noch ist der Flusspegel des Amazonas relativ hoch. Das hält die Kinder aber nicht davon ab im knietiefen Wasser auf dem Sportfeld Ball zu spielen.
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Mit Santos, einem Tikuna aus Puerto Nariño, mache ich eine Wanderung durch den Regenwald. Da der Weg recht schlammig ist, gehören Gummistiefel zu Grundausrüstung. Santos zeigt mir verschiedene Bäume, u.a. einen Gummibaum und den Pichirina, dessen orangener Saft fungizid wirkt. Die Caña Agria Pflanze gleicht dem Zuckerrohr. Wenn man die Fasern zerkaut, ist der Saft allerdings nicht süss sondern sehr sauer. In einem kleinen Reservat sehen wir eine Riesen-Wasserlilie (Victoria Regia) mit ihren ca. 1,5 m grossen Blättern und essen frischgeangelten Fisch.
santos pichirina cana_agria
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Mit dem Peque-Peque (Langboot mit langer nach hinten auskragender Schraubenwelle), dessen Motor übrigens aus Thailand stammt, geht es zum Lago Tarapoto, einem See, der Verbindung zum Amazonas hat. Auf dem Weg dorthin besuchen wir Alvaro, einen Freund von Santos. Der hält ein paar Kaimane in seinem Garten. Die niedlichen Jungen sind ca. 3 Monate alt und lassen sich ohne Scheu auf den Arm nehmen. Wenn Sie gross sind, will Alvaro sie wieder in den Fluss setzen. Wie die meisten Menschen hier essen auch die Kaimane viel Fisch. Am Lago Tarapoto sehen wir graue Süsswasserdelfine. Die rosanen Delfine tauchen aber leider nicht auf.
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Santa Sofía
(Amazonas)

In Puerto Nariño treffe ich zufällig James (Hames gesprochen). Er erzählt mit von einer Reserva namens Tucuchira, die er mit einem Freund errichtet hat und seiner Familie gehört. Dort möchte er Besuchern den Regenwald, seine Heimat, näher bringen. James stammt aus dem Tikuna Dorf Santa Sofía und hat bereits für eine Agentur in Leticia gearbeitet. Allerdings mag er es nicht, grosse Gruppen von Touris durch den Regenwald zu scheuchen und macht lieber individuelle Touren. Die Reserva liegt unweit von Santa Sofía und ist vom Regenwald umgeben. Es gibt eine Cabaña mit Zweibettzimmern und Hängematten, eine Koch- und Ess-Cabaña, eine Waschecke, eine Toilette, Palmen, Obstbäume, eine Papageiendame und ein Äffchen. Gekocht wird mit Trinkwasser, geduscht mit Flusswasser. Strom gibt es genausowenig wie WLAN. Hektik gibt es auch nicht. Stattdessen werde ich herzlichst empfangen und bestens umsorgt. An einem Baum auf der Reserva wächst die Caimo-Frucht (Pouteria caimito). Die Apfel-grosse, gelbe Frucht ähnelt im Inneren einer Birne und beherbergt ca. 4 längliche Kerne. Das süssliche Fruchtfleisch lässt sich leicht mit einem Löffel herausschälen.
tucu james arara
aeffsche caimo caimo
bananina sabrosa Click 4 Minivideo (22 MB): "Äffsche"

James zeigt mir sein Dorf, Santa Sofía. Die Einnahmen aus der Reserva gehen in die Gemeindekasse. Der Gemeinderat, dem James mit 26 jungen Jahren auch für ein Jahr vorsass, verwaltet die Gemeindekasse, kümmert sich um die Entwicklung des Dorfes und bespricht und schlichtet Konflikte. Die ca. 150 Menschen im Dorf leben im Wesentlichen vom Ackerbau und vom Fischen. Ein ca. 100 Hektar grosses Regenwaldareal gehört der Gemeinde und darf nicht verkauft werden. Es gibt zwei Schulen, für die Kinder von 1 bis 4 Jahren (Krippe), und für die Kinder von 5 bis 15 Jahren. Das Dorfleben strahlt eine Friedlichkeit und Zufriedenheit aus. Die Kinder spielen im Wasser oder um den Sportplatz herum. Die Erwachsenen spielen Fussball oder schauen dabei zu. Als ich einem kleinen Mädchen einen Keks abgebe, bedankt es sich und teilt ihn wie selbstverständlich mit zwei Spielkameradinnen.

Von der Reserva aus mache ich mit Abelardo, einem Cocama aus Santa Sofía, eine mehrstündige Wanderung durch den Sekundär- und Primärregenwald. Er geht hier regelmässig jagen und kennt jedes Blatt. Ich kann ihm nur blind hinterher tapsen, wenn er vom Pfad quer in das Gebüsch abbiegt und mit der Machete den Weg freischlägt. Als Tapir oder Hirsch möchte ich ihm nicht begegnen. Er zeigt mit die Eliana de Agua. Wenn man aus der Liane mit der Machete ein Stück herausschlägt, kann man aus einem Ende das leckere Wasser trinken, während am anderen Ende ein schlürfendes Geräusch austritt. Oben an einem Baum sitzt eine ca. 10 cm lange, tödlich-giftige Zikade, die Chicharra Machaca. Wenn sie einen anfliegt und mit ihrem zentralen Stachel sticht, gibt es keine okzidentale Medizin. Das Einzige, was hilft, ist sofort Sex zu haben. Die Therapie beruht auf der Erzählung von einem Mönch, der von der giftigen Zikade gestochen wurde. Kein Mittel konnte ihm helfen, bis die Ordensschwester kam...
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Während einer weiteren Wanderung mit Abelardo, übernachten wir im Regenwald. Es geht wieder kreuz und quer durch den Busch. Wie überqueren unzählige Bäche. Abelardo zeigt mit Wasserlöcher und die Spuren von Tieren, die dort nachts zum Trinken kommen. Zwischen den Blättern erkennt er Spuren von Tapir, Hirsch, Jaguar, Wildschwein und Gürteltier. Er kann sofort einschätzen, wie alt die Spur ist und wie schwer das Tier sein könnte. Auf einer Anhöhe, ca. 4 km vom Amazonas entfernt, schlägt er unser Camp auf. Bis auf die Plastikplane, die als Dach fungiert, die Hängematte und das Moskitonetz, wird alles aus der Natur gefertigt. So dient eine Liane als Firstseil für das Dach. Die Rinde von einem Baum wird zum Festbinden der Plastikplane benutzt. Aus einem dünnen Ästen wir im Handumdrehen mit der Machete eine bequeme Bank gebaut. Als Teller dient ein grosses Blatt. Der Löffel wird mit der Machete in 5 Minuten aus einem Ast geschnitzt. Irgendwann verstummt das Sirren der unbarmherzigen Schnitterin aus dem Hause Stihl in Waiblingen, das Brummen der Schiffe auf dem Amazonas und das Tosen der abhebenden Flugzeuge in Leticia und die Nacht bricht im Regenwald herein. Die Schreie des Perlhuhnmännchens werden häufiger und kündigen die Dunkelheit an. Um 6 Uhr ist es dunkel. Pilze auf den Blättern neben meinen Füssen leuchten magisch. Affen rascheln durch die Baumkronen. Die Grillen sorgen für das latente Hintergrundzirpen. Ein Frosch nutzt den Lautsprecher-Effekt eines hohlen Baumstammes und stösst seine lachenden Balzlaute aus. Unser Camp liegt genau über der Höhle eines Riesengürteltieres, welches bis zu 1,5 m lang wird. Adelardo erzählt mir, dass es mir seinen Krallen armdicke Wurzeln durchreissen kann. Während ich in der Hängematte langsam in den Schlaf baumele, stelle ich mir vor, wie das Riesengürteltier nachts aus seiner Höhle kommt und durch unser Camp schnüffelt.
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Leticia
(Amazonas)

Dreh- und Angelpunkt, um in Kolumbien in den Amazonas und wieder heraus zu kommen, ist meist Leticia, eine kleine Urwaldstadt am Dreiländereck Kolumbien-Peru-Brasilien. Nach Tabatinga (Brasilien) kann man zu Fuss herüberlaufen. Den Schweiss spare ich mir, da es an der Grenze nicht mal einen Stempel für meinen fast noch jungfräulichen, neuen Pass gibt. Peru liegt wenige Bootsminunten entfernt auf der anderen Amazonasseite. Letitia ist Umschlagpunkt und Marktplatz für viele Waren und natürlich auch für Touristen. Morgens probiere ich auf Empfehlung der Umherstehenden an einem Stand Emoliente Medicinal. Das ist eine Art Medizin aus Urwaldkräutern, die gegen alles Mögliche hilft, von Diabetes bis Prostata. Sie wird spektakulär aus mehreren Substanzen aus unbeschrifteten Plastikflaschen zusammengemixt. Zunächst gibt es ein kleines Becherchen gelbe, medizinisch schmeckende Flüssigkeit. Dann gibt es einen grossen Becher mit einem bräunlichen, warmen Glibber. Nachdem sich der Glibberpfropfen durch meine Kehle geschlängelt hat, bin ich wach.
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Salento
(Zona Cafetera)

Aus der Schwüle des Amazonas geht es in das Hochland. Auch hier gibt es Regenwald. Allerdings ist es hier mit 20 Grad recht angenehm. In den grünen Bergen zwischen 1350 m und 1900 m wächst der bekannte Café de Colombia. Salento ist eine Kleinstadt umgeben von vielen Kaffeefincas. Hier im Hochland drehen noch die Willy Jeeps aus dem zweiten Weltkrieg ihre Runden. Sie sind nicht Showobjekt, sondern Beast of Burden, d.h. Lastesel zum Transportieren von Ware und auch von Touris. Eine normale Beladung besteht neben Fracht aus mindestens 12 Personen. Das doch recht touristische Salento ist Ausgangspunkt für einen Ausflug in das Cocora-Tal. In mehrstündiger, knackiger Wanderung durch den Bergregenwald erreicht man schliesslich das Cocora-Tal mit den Wachspalmen (Palma de Cera). Die werden bis zu 60 m hoch und sehen aus wie riesige Zahnstocher.
berge cafe sit in
willy palma palma high peak

Einige der Kaffeefincas bieten interessante Touren zur Kaffeeherstellung an. Der in Kolumbien angebaute Kaffee ist gegenüber dem afrikanischen niederwüchsig und eine Kreuzung aus zwei Sorten, um die Widerstandsfähigkeit gegen einen schädlichen Pilz zu erhalten. Die Kaffeepflanzen können bis zu 20 Jahre alt werden, wobei sie zur Produktion meist zweimal in der Zeit extrem zurück geschnitten werden. Geerntet wird meist zweimal im Jahr. Dann werden die roten oder gelben, kirschenartigen Früchte von Hand gesammelt. In Schälmaschinen wird die Schale entfernt. In jeder Frucht sind normalerweise zwei Kerne. Die Kerne werden im Wasserband getrennt. Die oben schwimmenden sind zweite Wahl. Dann werden der süssliche Glibber und die Reste der Schale entfernt. Anschliessend werden die Bohnen getrocknet, entweder im Silo oder in der Sonne. Schliesslich werden noch einmal zweite Wahl Bohnen händisch aussortiert. Nur der erste Klasse Kaffee erhält das Label Juan Valdez, d.h. das Konterfei des legendären Kaffeebauerns mit seinem treuen Maultier Conchita.
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In einer weitere Maschine wird die beige Schale von der grünen Bohne im Inneren getrennt. Die grünen Kaffeebohnen sind es, die exportiert und auf dem Weltmarkt bewertet werden. Das Rösten und Mahlen geschieht in der Regel nicht in Kolumbien, sondern bei den Verarbeitern. Der kolumbianische Kaffee zeichnet sich durch seine Milde und seine Süsse aus. Er sollte mit 90 Grad heissem Wasser und viel Liebe aufgebrüht und am besten als Tinto ohne Zucker oder Milch getrunken werden.
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Cuidad Perdida
(Sierra Nevada)

Einer der beliebtesten Treks in Kolumbien ist zweifelsohne der Trek zur verlorenen Stadt, der Ciudad Perdida. Die Ciudad Perdida beschreibt die Überreste einer Stadt aus der präkolumbianischen Zeit. Die Lage ist vergleichbar mit der von Macchu Pichu, d.h. hoch oben in den Bergen, umgeben von Regenwald. Ausgangspunkt für viele Touren zur Ciudad Perdida ist Santa Marta, die älteste, erhaltene Kolonialstadt Kolumbiens. Für mich wirkt eher die Küstenstadt Santa Marta wie eine verlorene Stadt: voller Müll, enge Bürgersteige, nicht immer freundliche Menschen, laut und vor allem sauheiss.

Indigenas de
la Sierra Nevada

Die Ciudad Perdida ist für die in der Sierra Nevada lebenden Indigenas weiterhin ein heiliger Ort und wird Teyuna (heilige Stadt) genannt. Die Sierra Nevada liegt an der Karibikküste Kolumbiens und ist das höchste Küstengebirge weltweit. Die Berge erheben sich keine 46 km vom Meer entfernt auf über 5700 m. Von den einst ca. 80 verschiedenen Indigena-Gruppen bewohnen heute noch 4 die Berge der Sierra Nevada. Dazu gehören die Kogi und die Wiwa. Die kleiden sich typischerweise in weiss, was die Nähe zu den heiligen, schneebedeckten Bergen darstellt. So richtig praktisch finde ich die weissen Kleider nicht. Nach kurzer Zeit sind sie verdreckt und zusammen mit den ungeschnittenen Haaren sehen die Indigenas manchmal recht verwahrlost aus. Meine Geschäftsidee, dort doch mal einen Friseursalon aufzumachen, muss ich leider begraben. Die Haare sind heilig für die Indigenas. Es ist eine hohe Strafe, wenn jemandem die Haare abgeschnitten werden. Aber auch als haareschneidender Scharfrichter wäre es nicht ganz so einfach. Die Indigenas leben in Selbstverwaltung und haben ihre eigenen Regeln und Gesetze, welche vom Staat respektiert werden. Der Mamu ist Schamane und Oberhaupt der Gemeinde. In bestimmten Häusern versammelt er die Männer der Gemeinde um sich, um in teilweise tagelangen Sitzungen Themen zu diskutieren und Entscheidungen zu treffen. Um die tags und nachts laufenden Sitzungen ohne Einzuschlafen und ohne Essen zu überstehen, kauen die Männer Kokablätter. Frauen dürfen nicht diese Versammlungshäuser betreten. Tun sie es doch, werden Sie mit Gefängnis bestraft. Wiederholungstäterinnen können mit zusätzlichen Peitschenhieben bestraft werden. Früher konnte im Extremfall auch die Todesstrafe ausgesprochen werden.
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Die Koka-Blätter spielen für die Indigenas weiterhin eine wichtige Rolle. Die grünen Blätter werden zweimal kurz geröstet und anschliessend gestampft. Ähnlich den Indigenas in Peru überreichen die Indigenas in der Sierra Nevada sich als Gruss auch eine handvoll Kokablätter aus der kleinen Umhägetasche, die jeder Mann dabei hat. In der Tasche befindet sich auch häufig der Poporo, eine ausgehöhlte Kalebasse. Darin befindet sich Branntkalk, der aus gemahlenen Muscheln hergestellt wird. In der Poporo-Kalebasse steckt ein Stab. Dieser wird mit Spucke angefeuchtet und in den Branntkalk getaucht. Danach wird der Branntkalk an den im Mund befindlichen Kokablättern abgestreift. Der restliche Branntkalk wird aussen an der Kalebasse abgestreift. Die Kalebasse wird dabei im Laufe des Lebens immer dicker und ist ein Zeichen von Weisheit. Nur mit dem Branntkalk und der Spucke können ausreichend Alkaloide aus den Kokablättern gelöst werden, um eine berauschende Wirkung zu erhalten. Dabei werden die natürlichen Bedürfnisse nach Schlaf, Essen und Trinken unterdrückt. Die jungen Männer der Indigena Gemeinde bekommen nach einer 5 Tage und Nächte dauernden Session mit dem Schamanen ihren Poporo überreicht und sind damit in die Gemeinde aufgenommen. Entsprechend müssen sie danach die ganze Gemeinde zum Fest einladen.

Der Trek

Der Trek zur Ciudad Perdida ist mit 4 Tagen für 46 km Gesamtstrecke eigentlich nicht weit. Allerdings hat es der Weg in sich. Es geht ständig auf und ab und im feuchtheissen Klima des Regenwaldes fliesst der Schweiss in unsäglichen Strömen. Dabei muss der Buritaca-Fluss mehrfach gequert werden. Die erfrischende Wirkung der Regenschauer wird mit dem Verlust jeglicher Traktion teuer erkauft. Der Trek darf nur in einer geführten Gruppe gemacht werden, da er über Indigena-Gebiet führt und deren Erlaubnis bedarf. Für die Agenturen gilt ein Einheitspreis von ca. 200 EUR pro Person inklusive Verpflegung und Camp. Die Einnahmen werden aufgeteilt, u.a. auf die Agenturen, auf die Maultiertreiber, auf die Camps und auf die Indigenas. Der Tourismus boomt, so dass in den ersten 3 Monaten diesen Jahres jeden Tag 200 Touris den beschwerlichen Pfad entlangstapften. Vor einigen Jahren waren es noch 200 Touris pro Jahr. Die Übernachtungskapazitäten sind jedoch nur für 120 Gäste ausgelegt, so dass über eine Limitierung diskutiert wird. Ich habe das Glück in der Nebensaison mit nur ca. 20 anderen Touris zu gehen. Unser Führer, Daniel, ist sehr erfahren und vermittelt uns die Mystik dieses einmaligen Ortes.
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Die erste Etappe führt über ausgeflossene Wege, auf denen überraschenderweise viele Motorräder unterwegs sind. Die Camps sind mit Matratzen, Moskitonetzen, einfachen Duschen und Toiletten mit Wasserspülung relativ komfortabel ausgestattet. Zudem ist der Fluss nicht weit und bietet eine erfrischende Bademöglichkeit. Morgens vor halb sieben wird aufgebrochen. Bereits um 8 drückt Sonne mit voller Kraft den Schweiss aus jeder erdenklichen Pore. Die anfängliche Motorradautobahn wandelt sich in einen Maultierpfad, der recht kraftraubend erkraxelt werden will. An bestimmten Stellen werden Pausen eingelegt und frische Früchte gereicht. Die schmecken nach der Qual besonders gut. Vom Basecamp aus geht es am dritten Tag nach einer weiteren Flussüberquerung zur verlorenen Stadt. Am Fluss beginnt der Anstieg über 1260 unterschiedlich hohe, schiefe Steinstufen. Die verlorene Stadt liegt auf ca. 1200 m umgeben von den grünen Bergen der Sierra Nevada. Vor dem Betreten der Stadt stellen wir uns auf einen der Steinkreise und legen anschliessend eine Opfergabe auf den Stein im Zentrum. Mit der Opfergabe sollen die schlechten Gedanken abgelegt werden, damit man reinen Geistes die heilige Stadt Teyuna betritt.
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buritaca basecamp stairs

Die Geschichte

Die Ciudad Perdida wurde um 700 n.Chr. von den Tayrona gegründet. Diese wanderten von Norden über Mittelamerika und teilten sich in mehrere Gruppen auf. Diese siedelten teilweise am Meer und teilweise in den Bergen. Die geschützte Lage in den Bergen ermöglichte den Tayrona relativ ungestört eine Stadt nahe den heiligen Gipfeln und damit nahe dem Himmel zu errichten. Dort lebten Sie vom Ackerbau (u.a. Mais, Bohnen, Yucca, Koka). Mit den Völkern, die am Meer siedelten, tauschten sie einen Teil Ihrer Ernte gegen Salz, Fisch und Muscheln (Kalkquelle für das Koka-Kauen). Ca. 2000 Menschen lebten in der Stadt, die ca. 800 n.Chr. ihre volle Grösse von ca. 2 Quadratkilometern erreichte. Die Gebäude waren auf runden Terrassen angelegt. Steinförmige Kreise markieren die Flächen, auf deren Zentren je ein Haus stand. Wenn der Hauseigentümer starb, wurde er zentral unterhalb des Hauses beerdigt und das Haus wurde verlassen, bis es von selber zerfiel. Die Tayrona glaubten an die Wiedergeburt und gaben den Toten wertvolle Grabbeigaben mit. Das Gold, welches Sie vorwiegend aus den Flüssen gewannen, verarbeiteten sie kunstvoll zu Tiermotiven, die dann zu dauerhaften Grabbeigaben wurden. Sie hatten 4 Gottheiten: Mutter Erde, Mutter Natur, die Sonne und den Mond. Das Gold, welches sie von Mutter Erde ausliehen, wurde als Grabbeigabe der Erde wieder zurück gegeben. Die Tayrona hatten keine eigene Schrift, fertigten aber auf Steinplatten Übersichtskarten der Stadt an. Mit der Ankunft der Spanier im 16. Jahrhundert wurden von den ehemals 80 Indigena Gruppen fast alle ausgelöscht und die Stadt wurde verlassen.
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Auf der Stadt mit den vielen Gräbern und vor allem dem darin enthaltenen Gold liegt seitdem ein Fluch. Im Jahre 1972 entdeckte ein Bauer in der Nähe der Stadt präkolumbianische Münzen. Eines Tages erlegte er beim Jagen ein Tier direkt an der Stelle des Flusses, von wo auf der anderen Seite die lange Treppe zur verlorenen Stadt führt. Zusammen mit seinem Sohn erkundete er die Überreste der Stadt und fand beim Graben goldene Grabbeigaben. Er verkaufte den Fund in Santa Marta und erzählte einem Bekannten davon. Als er mit seinem Sohn und dem Bekannten zur Fundstelle zurückkehrte, um weiter zu graben, ermordete der Bekannte zuerst den Sohn, dann den Vater. Über Jahre räuberte jener Mann mehrere Gräber und wurde durch den Verkauf der goldenen Grabbeigaben reich. Als er im Jahre 1976 im Suff etwas zuviel erzählte und den Fundort verriet, bracht das Goldfieber aus und viele Grabräuber aus Santa Marta machten sich auf den Weg zur verlorenen Stadt. Da es nur einen Weg zur Stadt gab, machten sich einige Räuber gar nicht die Mühe des Ausgrabens, sondern überfielen und töteten die Grabräuber, die mir ihrer Beute des Weges kamen. Die verlorene Stadt in der Sierra Nevada wurde zur grünen Hölle und forderte etliche Menschenleben. 1977 grub ein Mann aus Minca Goldschmuck aus und kehrte auf einem bis dahin unbekannten Weg zurück, um den Fund und die Fundstelle der Regierung preiszugeben, und dem Morden ein Ende zu bereiten. Die Regierung von Bogotá sandte direkt ein Abordnung von führenden Archäologen und eine Polizeidelegation zum Fundort. Beim Anblick der vielen bereits geräuberten Grabschätze setzte sich einer der Archäologen frustriert auf eine der Mauern in der Stadt und sagte: "Diese Stadt ist verloren", was der Stadt schliesslich den Namen gab. Da die Stadt den Indigenas, die bisher die Konfrontation mit den Grabräubern fürchteten, heilig ist, wurde ihnen zugesagt, ein noch erhaltenes Grab bei den archäologischen Arbeiten nicht zu öffnen.

Doch der Fluch hielt an. Im Jahre 1987 wurden die Ausgrabungen aufgrund der Ferien unterbrochen. Nur der Chef der Ausgrabungen und zwei Polizisten blieben am Ausgrabungsort. Der Chef der Ausgrabungen wusste um das noch intakte Grab und den möglichen Goldschatz. Er lockte die Polizisten in eine Falle und lud sie zum Bad im nahen Fluss ein. Nachdem Sie ihre Pistolen abgelegt hatten, nahm sich der Ausgrabungschef eine Waffe und erschoss einen der Polizisten. Den anderen zwang er, das intakte Grab zu öffnen, die Grabbeigaben zu erbeuten und sie zurück in die Stadt zu tragen. Als der zweite Polizist völlig entkräftet unter der Last zusammenbrach, erschoss der Ausgrabungschef auch ihn, trug die Beute selber weiter und verschwand. Als Indigenas die beiden Leichen der Polizisten fanden, meldeten sie den grausamen Fund. Die Regierung schickte mit dem Verdacht auf eine mögliche Guerillatat sofort eine Militäreinheit in die verlorene Stadt. Noch heute bewachen ca. 200 Soldaten in 5 Monats-Schichten die Region um die Ciudad Perdida. Versorgt werden sie einmal im Monat per Helikopter. Bei den explodierenden Touristenzahlen und der spannenden Geschichte dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die ersten Filmteams aus Hollywood anrücken...



Medellín

Von der drückend heissen Küste geht es (endlich) wieder ins Hochland. Medellín liegt mit seinen 3,5 Millionen Einwohnern auf ca. 1500 m Höhe. Das milde Klima gibt Medellín den Namen "Stadt des ewigen Frühlings". Die Häuser Medellíns füllen den gesamten Talkessel aus und ziehen sich wie die Reste eines Käsefondues an den steilen Hängen bis in schwindelerregende Höhe empor. In den 80er Jahren hatte die Stadt die weltweit höchste Mordrate. Nach dem Tod des Drogenbarons Pablo Escobars und wichtigen Infrastruktur- und Integrationsmassnahmen hat die Stadt einen Wandel erlebt, der seinesgleichen sucht. Medellín ist heute eine der modernsten und am besten zugänglichen Städte Kolumbiens mit steigenden Touristenzahlen und vor allem auch relativ sicher.

Seit der Kolonialisierung ist Medellín ein wichtiges Geschäftszentrum. Die Paisa, Bewohner der Region, haben zum Teil jüdische Wurzeln und gelten als sehr stolz und hart arbeitend mit ausserordentlichem Verhandlungsgeschick. Mit der Industrialisierung brachte das Gold und später der Kaffeeboom der Stadt Wohlstand. Erst in den 80er Jahren spülte der Drogenhandel zusätzliches Geld in die Stadt. Druglords, allen voran Pablo Escobar, hielten die Stadt mit unzähligen Bombenattentaten, Entführungen und Auftragsmorden in Atem. Sie waren zwar nicht auf politische Macht aus, liessen sich aber von der Regierung keinen Stein in den Weg legen und kooperierten mit den bewaffneten Extremisten unabhängig davon, ob sie extrem links oder extrem rechts waren.

Ganz Kolumbien befand sich im Kreuzfeuer von im wesentlichen 4 Mächten: Druglords, dem extrem rechten Flügel (Paramilitärs), dem extrem linken Flügel (Guerillas, FARC, ELN,..) und der eher machtlos erscheinenden Regierung. Erst die Stärkung und ein hartes Durchgreifen von Militär und Polizei unter Präsident Uribe stabilisierte die Sicherheitslage im Land. Teilweise wurden die Massnahmen durch US Gelder im Plan Colombia finanziert. Nach dem Tod Pablo Escobars in den 90er Jahren ist Medellín zum Aushängeschild für den Aufbruch in Kolumbien geworden. Die Errichtung der Metro Mitte der 90er, die einzige Metro in Kolumbien, war ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Stadt, die im Chaos zu ertrinken drohte. Sie verbindet zusammen mit 3 Seilbahnen die verschiedenen Stadtviertel miteinander. Sie symbolisiert die Hoffunng auf eine bessere Zukunft und den Zusammenhalt der Stadtbevölkerung. Entsprechend respektieren und schätzen die Menschen die Metro. Es gibt keinen Vandalismus, die Fahrgäste benehmen sich, alles ist sauber und sicher. Für 0,65 EUR können die Menschen die ganze Stadt durchqueren und auch die Seilbahnen nutzen, die die ärmeren, höher gelegenen Stadtbezirke erreichen.
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Zusammen mit der Metro wurden auch Bibliotheken und Bildungseinrichtungen insbesondere auch in den ärmeren Vierteln installiert. Das hat die Bewohner der Stadt zusammen geschweisst. Einer der zentralen Plätze der Stadt neben dem Edificio Carre wurde im Volksmund Plaza del Crimen (Platz der Kriminalität) genannt. In und um das damals verwahrloste Gebäude mit eingeworfenen Scheiben lebten viele Menschen auf der Strasse. Überfälle, Morde, Vergewaltigungen gehörten zur Tagesordnung. Heute ist der komplett umgestaltete Platz eines der Aushängeschilder Medellíns und heisst bezeichnenderweise Plaza de las Luces (Platz der Lichter). Er ist umsäumt von modernen Gebäuden, u.a. einer riesigen, frei zugänglichen Bibliothek. Das vormals heruntergekommene Edificio Carre wurde restauriert und beherbergt heute das Bildungsministerium. Der Platz selber wurde komplett erneuert und mit Bambus bepflanzt. Nachts leuchten 300 über den ganzen Platz verteilte Säulen. Auch bei Einbruch der Dunkelheit kann man ihn, nicht zuletzt dank der hohen, aber unaufdringlichen Polizeipräsenz, sicher überqueren.
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Die Fussgängerzone namens Carabobo ist voll mit bunten Modeläden und unzähligen Strassenverkäufern. Sie führt an der Iglesia de Veracruz vorbei. Auf dem Platz direkt vor der Kirche befand sich früher der Strassenstrich. Somit konnten sich die Freier nach Ausnutzung des gewerblichen Serviceangebotes gleich in der Kirche die Absolution holen. Schliesslich gelangt man zur Plaza de las Esculturas, die die Handschrift Fernando Boteros, Medellíns bekanntesten Künstlers, trägt. 23 der riesigen, disproportionierten Bronzeskulpturen Boteros lassen sich auf dem Platz bewundern. Durch Berühren der Skulpturen geht angeblich ein Teil der Energie der Skulptur auf den Betrachter über. Entsprechend sind einige Skuplturen an recht verlockenden Stellen bereits blank poliert.
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Es bleibt zu hoffen, dass die positive Entwicklung Medellíns und auch Kolumbiens derart weiter geht, auch wenn das letzte Jahr wirtschaftlich nicht so erfolgreich verlief, und die sich Friedensverhandlungen mit den Guerillas weiter hinziehen. Der wahrscheinlich insbesondere von der ausländischen Nachfrage getriebene Kokainexport hat wieder zugenommen. Unterstützend könnte auch das Verbot des Pestizids Roundup (Glyphosat) gewirkt haben, mit dem die Regierung die Kokaplantagen besprühte.



Typisch Kolumbien

Menschen

Die meisten Kolumbianer sind außerordentlich freundlich und liebenswürdig sowohl untereinander als auch gegenüber Fremden. Die Kolumbianer wissen um diese tolle Eigenschaft und sind auch stolz darauf. Die Sprache mit ihren vielen Koseworten unterstützt die freundliche Atmosphäre. Dabei werden die Koseworte häufig nicht nur in einer Paar-Beziehung, sondern auch gegenüber Gästen oder auch gegenüber Fremden benutzt. So sprach mich die Bedienung in einem Schnellrestaurant in Bogotá, in dem ich mehrfach zum Mittagessen war, mal mit Señor und mal mit Amor an. Auf dem Trek zur Ciudad Perdida treiben die Einheimischen ihre Mulis mit "Hullahulla, princesa (Prinzessin)" die steilen Anstiege hoch. Weitere typische Anreden sind z.B. mamacita (Mamachen), papacito (Papachen), jefe (Chef), compadre (Genosse), cielito (Himmelchen), muñequita (Püppchen), corazoncito (Herzchen) oder auch cariñito (Liebling).

In den Städten fiel mir ein Fitnessboom auf. Der Fitnessraum in meinem Apartmentgebäude in Bogotá war gut frequentiert und die Werbetafeln der Fitnessstudios waren nicht zu übersehen. Obwohl man auf der Strasse an jeder Ecke Zigaretten einzeln kaufen kann, habe ich kaum Raucher gesehen. Die Kolumbianer verdrücken recht große Mahlzeiten, sind jedoch nicht übermässig dick. Ausländische Touristen fallen meist dadurch auf, dass sie (nicht nur Socken in Sandalen, sondern auch) kurze Hosen und Röcke tragen. Kolumbianerinnen und Kolumbianer tragen in der Regel lange Hosen, ausser vielleicht im Amazonasgebiet, wo Shorts und Gummistiefel salonfähig sind. Viele Damen lackieren sich gerne Finger- und Fussnägel. Manchmal trägt die Dame auf den grossen Zehnägeln ein buntes Muster. Aber auch die Herren lassen sich gerne mal die Fingernägel mit Klarlack überziehen.

Essen & Trinken

Kolumbien ist ein sehr vielfältiges Land, von dem ich nur wenig gesehen habe. Entsprechend vielfältig sind auch die Essensgewohnheiten. Viele typische Gerichte haben als Beilage Reis und Patacones (plattgeklopfte, frittierte Kochbananen). Dazu gibt es dann meist Rindfleisch, Schweinefleisch, Hühnchen und auch häufig Bohnen. Suppen sind sehr beliebt und enthalten häufig Mais, Kartoffeln, Fleisch und frischen Koriander. Gemüse habe ich leider sehr selten gesehen und gegen Ende meiner Reise auch vermisst.

Wenn man einen Kolumbianer fragt, welche Früchte er kennt, so ist er in der Regel mehrere Minuten damit beschäftigt Früchte aufzuzählen. Viele davon sind in Europa unbekannt. Die Früchte werden in den leckeren Fruchtsäften oder auch als Obstsalat frisch verarbeitet. Bananen gehören unterwegs zu meiner Grundversorgung und sind praktisch im ganzen Land frisch verfügbar.

Autos

Die Strassen in Kolumbien sind eindeutig von koreanischen und japanischen Marken beherrscht (Kia, Hyundai, Daewoo, Daihatsu, Isuzu, Toyota, Mitsubishi, Mazda, Suzuki, Nissan). Zwischendrin verirren sich ein paar Kleinwagen von Chevrolet oder Ford. Die einzige nennenswerte europäische Automarke ist Renault. Sowohl Neuwagen mit dem Rautensymbol als auch der legendäre R4 zieren das Strassenbild.

Reisen

Kolumbien ist relativ einfach zu bereisen. Da nicht ganz so viele Kolumbianer englisch sprechen, hilft es sehr, wenn man ein wenig Spanisch spricht. Die Sicherheitslage ist derzeit gut und der Tourismus wächst und wächst. Aufgrund der Topografie ist es häufig angebracht zu fliegen, um endlos langen Busfahrten zu entgehen. In vielen Orten gibt es Unterkünfte, von einfachen Hostels mit Mehrbettzimmer bis hin zu feinen Hotels. Die Kosten für Unterkunft und Transport sind meist sehr niedrig. Ebenso ist das Essen deutlich günstiger als in Europa. Kolumbien ist ein Land Lateinamerikas mit einigen unangenehmen Erscheinungen, die es auch in den anderen Ländern gibt. Dazu gehören z.B. die Riesenstädte mit Elendsvierteln und viel Kleinkriminalität genauso wie Korruption. Gleichzeitig hat Kolumbien viele interessante, touristische Ziele zu bieten: das Andenhochland mit drei Kordillieren, den Amazonas-Regenwald, die Pazifikküste, die Karibikküste, indianische Kultur und viele historische Orte wie die Ciudad Perdida.

 

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